Mit nahezu jedem Urlaubsziel verbindet man neben Landschaft und Leuten, die traditionelle Küche, oder was die Touristenseele eben dafür hält: Italien hat seine Pasta, Spanien seine Paella, die Türkei den Kebab und Ägypten hat – eine kulinarische Tradition, die sich nicht mit nur einem Schlagwort erfassen lässt. Dabei lüftet das Kopfkino allein beim Gedanken an das Land der Pharaonen seinen Vorhang und schon flimmern Pyramiden, die Wüste, der Nil oder die Sphinx auf der Schädelinnenseite. Wenn es allerdings um kulinarische Eindrücke geht, bleibt Ägypten für viele wahre Terra incognita.
Während Hochburgen des Tourismus wie Sharm el-Sheikh oder Hurghada zumeist mit altbekannter "Globalisierungsküche" von Schnitzel über Burger, bis hin zum chinesischen Essen aufwarten, sollte sich jenseits der eingetrampelten Tourismus-Pfade eine völlig eigenständige, ägyptische Küche finden lassen. Sollte, denn so viele Weltreiche, von Griechen über Osmanen bis hin zu Franzosen und Engländern, das Tor nach Afrika auch eroberten, so viele Gerichte trugen sie an den Nil. Heute bietet die ägyptische Küche somit ein internationales Potpourri zwischen Orient und Okzident. Nirgends wird dies so deutlich wie im Schmelztiegel des Schwarzen Kontinentes: der 16-Millionen Metropole Kairo.
Unbekannte Bekannte - Fast Food auf Ägyptisch
Auffällig ist, dass nahezu an jeder Straßenecke solche Gaumenfreuden auf Entdecker warten, die seit vielen Jahren auch in unseren Breiten heimisch geworden sind. Aber nicht alle Speisen, die dem Europäer dem Namen nach bekannt sind, wird er auf den ersten Blick auch als diese erkennen. So wird Shawarma weder in Form eines Wraps noch im Fladenbrot, sondern einem Hotdog ähnlich im Milchbrötchen serviert. Als Beilage dient lediglich eine Joghurt-Knoblauchsoße. Der Falafel dagegen wird hier zumeist nicht als eine von vielen Zutaten, sondern in Form kleiner Bällchen als das Gericht an sich gegessen. Generell wirken die ägyptischen Variationen der orientalischen Küche deutlich weniger überladen als Ihre kulinarischen Botschafter in Europa.
Wenn sich eine eigenständige kulinarische Kreation Ägyptens Nationalgericht nennen darf, ist es das Koshari. So einfach wie Ägyptens Antwort auf Resteküche á la Labskaus oder Soljanka aussehen mag, so gut schmeckt sie. Die Zubereitung ist denkbar einfach: Man nehme eine Reihe verschiedener Nudelsorten, Linsen, Reis und obendrauf etwas Tomatensoße, dazu Salz, Pfeffer, Chili und natürlich eine ordentliche Portion Knoblauch. Abweichungen von diesem einfachen Rezept findet man kaum; ob es nun die einfache Variante in einer der vielen Koshari-Küchen am Straßenrand oder die Luxusvariante im In-Spot für jeden Kairobesucher, dem "Abu Tarek" ist. Dort wird dem hungrigen auf fünf prall gefüllten Etagen nichts anderes angeboten als dieses eine Gericht.
Gelassenheit und Vielfalt - das andere Ägypten
Spätestens nach einer handvoll Tage in Kairo sehnt sich der Durchschnittsreisende nach ein wenig Ruhe und Besinnung. Nichts bietet da einen besseren Kontrast zur Megastadt als die schier unendliche Leere der Wüste und den pittoresken Müßiggang in den Oasen wie Baharia oder Farafra. Mittlerweile kein Geheimtipp mehr aber immer noch ein unvergessliches Erlebnis: ein paar Tage in einem Beduinen-Camp. Hier wird dem Besucher nicht nur ein optisches und akustisches Kontrastprogramm geboten, sondern das Tor in eine Welt der Frische aufgestoßen. Bis auf das abgefüllte Wasser wird ausschließlich auf all das zurückgegriffen, was im Umkreis von wenigen Kilometern wächst.
Genau so abwechslungsreich präsentiert sich somit auch eine typische Mahlzeit im Reich der Beduinen. Da dominiert kein Fleischbrocken einen Teller, dessen Rand mit zwei oder drei Beilagen bedeckt wird, sondern Abwechslung in Form einer Vielzahl kleiner Schalen, jede gefüllt mit einer anderen regionalen Leckerei. Dazu gehören neben den klassischen orientalischen Beilagen wie der Sesampaste Tahina und dem Kichererbsenpürree Hummus, in aller Regel viele Früchte wie Datteln und Feigen aber auch Gemüse wie Tomate, Gurke und Kartoffeln.
Essen im Zeichen der Kultur
So hektisch, laut und turbulent das Menschenmeer in den größeren Städten zuweilen wirken mag; geht es ums Essen, so entdeckt der Ägypter den Schweizer in sich. Da kann es nicht gemütlich und langsam genug zugehen. Unterwegs essen? Undenkbar. Eine Mahlzeit, so einfach sie auch scheinen mag, will bewußt genossen werden. Das schließt natürlich nicht aus, dass man sich im Rahmen eines solchen Zusammentreffens über Gott und die Welt diskutieren kann - wobei beide Themen mit Fingerspitzengefühl angegangen werden sollten.
Ähnlich verhält es sich mit der Geschlechtertrennung. Im öffentlichen Leben der Großstädte wird diese zwar kaum praktiziert, kommt man jedoch persönlichen Einladungen nach, kann es vorkommen, dass sich Männer und Frauen in getrennte Räume zurückziehen. In einem Land, in dem Discos oder Parties bei weitem kein Massenphänomen sind, stellt das gemeinsame Essen einen festen Bestandteil des Freizeitprogrammes dar – zumindest derer, die es sich leisten können. Ein Falafel für umgerechnet 70 Cent mag dem Touristen billig vorkommen. Bedenkt man, dass der Durchschnittslohn vieler Ägypter bei unter 100 Euro im Monat liegt, relativiert sich diese Zahl deutlich.
Einfach und köstlich statt exotisch-sensationell
Generell bleibt festzustellen: Wer kulinarische Extreme schätzt, ist auf den Marktplätzen Bangkoks deutlich besser aufgehoben als in Kairo selbst. Zischende oder knisternde Zutaten, die quicklebendig aus Korb und Käfig krabbeln, sucht der Weltenbummler hier vergebens. Von der gegrillten Taube abgesehen, bedient sich die ägyptische Küche großenteils der auch in Europa bekannten Bestandteile. Lediglich die Zustände, unter denen die einzelnen Zutaten gelagert oder zubereitet werden, mögen für Reisende vom Kontinent der desinfizierten Edelstahlküchen etwas befremdlich wirken. Zugegeben: Will man die Rache des Pharao vermeiden, ist es keine wirklich schlechte Idee, seine Reiseapotheke auf den verdauungstechnischen Kampf der Kulturen einzuschwören. Besser als manches Vorurteil ist die ägyptische Küche in Sachen Hygiene jedoch in jedem Fall. Autor: Peter Fünfstück P.S. Die Videoreportage zur Ägyptischen Küche kann man hier anschauen: |